Gewalt auf LARPs

Man sollte ja eigentlich denken, LARPer sind vernünftige Menschen … aber warum sollten sie anders als andere Leute sein. Es kommt vor, daß Leute durchdrehen. Das ist im Alltag so, warum sollte es im LARP anders sein. Auf LARPs ist es durchaus schon vorgekommen, daß jemand eine richtige Waffe (Messer) gezogen hat. Keine Panik: auf dem Frankfurter Hauptbahnhof waren die Chancen dafür bis vor der Installation der Überwachungsanlagen 100mal so groß. Das Problem ist: wenn man in der Situation ist, dann gibt es keine 100% seligmachende Methode, sondern nur Tipps, die man je nach Lage verwenden kann. Es kommt auch drauf an, ob derjenige wirklich eine Waffe zieht, jemanden tätlich angreift oder „nur“ droht.

Bei einfachen Fällen:

  • Manchmal reicht ein scharfes Wort schon aus, das die Leute mit dem Mist aufhören.
  • Verweist den Störenfried vom CON.

Bei schwereren Fällen:

  • Macht es einfach wie es jeder andere Bundesbürger machen sollte: ruft die Polizei. Denkt aber daran: die brauchen auch ein paar Minuten, um vorbeizukommen. (Anmerkung: Polizei rufen ist übrigens ein gutes Beispiel für sinnvolle Zivilcourage. Es gehört ein bißchen Mut dazu, da in den meisten Szenen das Polizei rufen ja verpönt ist. Es ist aber sinnvoller, jemand zu rufen, der sich damit auskennt, als mit falscher Zivilcourage z.B. ins Messer zu rennen.)

Bei leichten und schweren Fällen:

  • Es ist (wenn möglich) sinnvoll, zunächst das Opfer zu entfernen! Es ist vielleicht einleuchtender, irgendwas mit dem Täter anzufangen, aber das Opfer ist häufig einfacher zu beeinflussen. Und ohne Opfer ist der Täter auch etwas irritiert.
  • Neben dem Opfer entfernen auch Opfer helfen: es ist häufig so, daß alles sich auf den Täter fokussiert. Auf deutsch: das A…loch steht im Mittelpunkt. Dabei ist es genauso wichtig, dem Opfer zu helfen. Das heißt – wenn nötig: erste Hilfe leisten, seelischen Beistand bieten (ne Tasse Tee kann übrigens helfen, und zuhören sowieso).
  • Paradoxe Reaktionen, die der andere nicht erwartet, können hilfreich sein. Dabei darf der Täter sich allerdings nicht angegriffen fühlen. Zum Beispiel ist eine paradoxe Reaktion, wenn man über sich selbst einen Witz macht. Seid kreativ, dadurch entsteht ein Überraschungseffekt.
  • Achtet auf eure Körpersprache, sie sollte nicht bedrohlich wirken, aber auch nicht anzeigen, daß ihr auch ein Opfer sein könntet. Versucht nicht, in den privaten Bereich des Täters einzudringen (d.h.: Mindestabstand ausgestreckter Arm).
  • Reden hilft manchmal. Versucht, ein Gespräch mit demjenigen anzufangen. Vermeidet dabei aber, ihn zu provozieren. Also: schön ruhig bleiben. Und tatsächlich auch zuhören. Wenn ihr nicht dem anderen zuhört, glaubt der (berechtigterweise) nicht, daß ihr mit ihm sprecht.

Nicht nur für Gewalt auf CONs, auch für Verhalten in Gefahrensituationen des täglichen Lebens kann ich die Schrift Verhaltensempfehlungen für Konfliktsituationen der Hamburger Behörde für Inneres/Landesamt für Verfassungsschutz empfehlen. Da raus kommt auch der wichtigste Tipp: Helft, aber bringt euch nicht selbst in Gefahr!

Schweigen (Text von Corinna Kaufmann)

Schweigen. Man sollte zu vielen Sachen besser schweigen, als sie hochzuspielen.

Es werden immer viele wueste Geschichten erzaehlt ueber das, was auf Cons passiert ist. Das faengt an bei dem Feuerball, der eine rote Billardkugel war, geht ueber den Bogenschuetzen, der echte Pfeile benutzt und endet bei Menschen die reale, scharfe Messer ziehen.

Vermutlich ist vieles davon nicht wahr. Entspringt einem lustigen Abend und schaukelt im Lauf der Zeit hoch zu einer �wilden Geschichte“. Und es gibt sogar Menschen, die sie glauben. Die einen erzaehlen, die anderen sitzen staunend und sagen �Das ist mir noch nie passiert!“

Mit Gewalt ist das auch so. Larper verherrlichen Gewalt nicht, auch wenn Gewalt ein integraler Bestandteil des Spiels ist. Es ist ein Spiel. Im wirklichen Leben haben sich die meisten immer sehr gegen Gewaltausübung entschieden – koennte man denken. Und es stimmt wahrscheinlich.

Manche Sachen sind gefaehrlicher als andere. Rugby ist gefaehrlicher als Spazierengehen – ausser man versucht letzteres auf der Autobahn. Da kann schon was passieren. Das weiss auch jeder. Wer mitmacht, nimmt das Risiko in Kauf. Und es passiert ja offenbar auch nichts schlimmes, oder hat jemand was erzaehlt? Mitmachen ist alles. Wer mitmacht, hat zugestimmt. Gut manchmal war er nicht so wirklich vorbereitet, aber das ist der Kick.

Ich habe mich daran gewoehnt, dass viele Kämpfe sehr unkontrolliert sind. Wirkliche Unfaelle sind selten. Blaue Flecke zaehlen nicht, weil wir Kaempfer naemlich was aushalten. Und Du solltest das auch. Jedes Dojo hat normalerweise einen Helden, der es schafft sie immer in die Fresse zu kriegen und das toll findet. Der ist naemlich dann hart. Wir hatten einen dabei, der hatte immer tolle neue Ideen und ist dann verhauen worden.

Das hat mich nicht so gestört. Der hatte auch nichts dagegen, wenn man seinen Schlag mal nicht abgestoppt hat oder so. Machen Straßenkämpfer ja auch nicht – und es macht hart. Auch das hat mich nicht gestört. Mich haette es aber sehr gestört, wenn er für mich bestimmt haette, dass mir das genauso gehen muss. Das ist naemlich verdammt noch mal meine Entscheidung. Und ich denke, ich darf auch mal ohne Rüstung kämpfen (z.B. weil sie intime kaputt ist, weil ich die xhunder Euro nicht habe, weil ich es gerne moechte) ohne von anderen Leuten zu Klump geschlagen zu werden. Die haben naemlich meistens Ruestung an und tragen das geringere Risiko. Im Uebrigen ist es interessant mal zu gucken, wie viele Ruestungen sehr wenig auf scharfe Kanten und schlecht geschlossene Ringe ueberprueft werden – vorstehende Zapfen und so. Ist ja nie was passiert, nicht wahr? Hat ja keiner erzaehlt…

Es ist ja auch primaer mein Problem als Fussgaenger, wenn mich das Auto auf dem Zebrastreifen ueberfaehrt, dann kann ich noch so lange recht gehabt haben mit meinem blinden loslaufen. Ich kann jetzt aber auch nicht alle Zebrastreifen meiden. Oder immer auf einer Straßenseite bleiben oder einfach selber nur noch autofahren. Es muss auch gehen, dass der Autofahrer ein bißchen aufpasst. Dat is beim Kaempfen genauso. Und umgekehrt, wenn ich einen Helm trage, bei dem ich moechte, dass jeder Idiot darauf schlaegt mit seinem Knueppel, dann mach ich ein Schild dran. Das kann doch so schwer nicht sein. Ich weigere mich auch, mich fuer ein Weichei zu halten, nur weil Mr. oder Mrs. X mich mit seinem/ihrem Schild leidenschaftlich zwischen Baum oder Mauer und 150 kg Lebendgewicht einklemmt – und ich darf das auch sagen.

Ich muss das nicht hinnehmen. Ich darf das auch Scheisse finden, wenn jemand vorbei kommt und meint: Hey fuehl Dich geschaendet! – Fuehl Du Dich doch geschaendet, Armleuchter….

Manchmal frage ich mich, wer hat eigentlich jetzt was davon, von dem was hier passiert? Zum Beispiel wie ist denn das mit der Folter. Wie intim findet man das denn, wenn man einen Gefolterten spielen soll? Wird man denn von den anderen gefragt, ob das o.k. ist? Mir hat mal jemand erzahlt, er waere auf einem Con Intime gefoltert worden. Alles von Kumpels – Leuten, die er gut kannte. Sie haben ihn vorher gefragt und es war o.k. Es kamen aber Leute dazu, die er nicht leiden konnte. Und er hat sich nicht wohl gefuehlt halb ausgezogen hilflos und gedemuetigt zu spielen in Gegenwart von Menschen, die er nicht mag.

Was haette er denn jetzt machen sollen, sagen – eh, die beiden mag ich nicht, jetzt finde ich das scheisse. Er wusste auch nicht, dass die dazu kommen und vorher war alles o.k.

Alles in Allem finden sich immer Leute, die gewisse Dinge fuer toll und hart halten. Und wer kein gutes Selbstbewusstsein hat, der denkt erstmal, es ist seine Schwaeche. Wie praktisch. Die Menschen, die vieles hart finden, sind oft auch nicht in der Situation des Opfers. Sie sind Unbeteiligte, oder auch schon mal auf Taeterseite. Sicher manche von ihnen waren schon Opfer und es war einfach kein Problem fuer sie.

Von anderen zu erwarten, dass sie meine Stärken teilen, ist arrogant. Ich wollte nicht so gemessen werden. Es gibt auch kein allgemeines Gesetzt fuer den coolen Larper. Viele haben auch einfach nur eine gute Lobby. Und warum weiss niemand mehr so genau. Gut koennte sein, was sich gut anfuehlt und anderen nicht schadet, sie beieintraechtigt, oder ihnen weh tut. Das wissen wahrscheinlich aber am ehesten die anderen. Wenn jemand in einen Raum reinkommt, dort erstmal rumprohlt und aggressiv ist, beeintraechtigt mich das vielleicht. Ich will, dass er damit aufhoert oder woanders weiter macht. Das ist mein Recht. Wir sollten das klaeren. Es ist auch sein Recht, mit mir soetwas zu klaeren, wenn ich das tue. Im Allgemeinen heisst das Sozialverhalten. Reden und Dinge klaeren. Sozialverhalten kann auch heissen zu gehen in einer Situation. Es kann aber nicht heissen unsoziales Verhalten wie Ruecksichtslosigkeit totzuschweigen. Man muss ja nicht alles gleich klaeren.

Gewalt. Sie ist im Larp vorhanden, und wie böse Kritiker behaupten von mir und Carsten sehr gerne ein bißchen herbei geredet worden. Wir sind naemlich uebersensibel. Tatsache ist. Gewalt ist da, wo Menschen sind. Und damit ist sie im Larp vorhanden. Es gibt sie in Form von sprachlicher und von körperlicher Gewalt.

Sie entsteht unter anderem durch mangelnde Kontrolle, fehlenden Respekt, Selbstueberschaetzung und Ruecksichtslosigkeit und leider auch durch das Beduerfnis nach Macht ueber andere.

Den meisten Formen von Gewalt kann man ganz einfach beikommen. Man erinnert sich ab und zu selber da dran, dass man ein ganz schoener Idiot sein kann, sucht sich Freunde, die einen daran erinnern, macht sich mal ein bißchen klar, dass man selber auch Schwaechen hat und andere das auch haben duerfen.

Und dann geht man vielleicht einfach aus dem Kampf, wenn man jemand anderen einfach verpruegeln will, weil er schon dreimal den Kopf getroffen hat, und man geht aus dem Spiel, wenn man staendig nur Koepfe trifft. Man rechnet einfach mal damit, dass der andere einen nicht unbedingt sieht, und fuer den Bodycheck mit der Ruestung keinen Antrag ausgefuellt hat. Im normalen Leben finden wir die Leute doch auch Scheisse, die sich an der Schwaeche anderer aufbauen.

Wenn alles nur ein Spiel ist, kann ich auch gehen, wenn ich sehe, dass der andere mit dem Tod seines Charakters nicht umgehen koennen wird, ist es eh sinnlos, seinen Charakter kaputt zu machen. Wem gibt das denn noch was?

Vielleicht hat der sich uebernommen.

Und Rollenkonsequenz. Naja ist schwierig. Der Trick liegt darin, einen Kompromiss zu suchen.

Vielleicht bin ich ja viel schlauer, aber schlauere Leute lassen ja von den dummen, oder?

Und was, wenn ich selber der Dumme bin und den anderen verletzt habe?

Dann muss ich zusehen, dass ich das ausraeume. Das ist mein Mitspieler.

Man macht Menschen nicht fertig. Man sollte sich auch selber nicht fertig machen.

Und manchmal geht etwas zu weit. Ganz leise faengt das an. So ist das oft mit Gewalt. Man merkt naemlich nicht sofort, was vorgeht. Irgendwann fragt man sich vielleicht, �hey, was passiert hier? Sag mal der geilt sich doch daran auf, dass der hier der staerkere ist, oder spielt der das nur? Muss ich das jetzt mitspielen, bin ich sonst ein schlechter Rollenspieler?“

Oder man denkt: �Das ist doch jetzt nicht wahr. Das macht die doch nicht wirklich…“ Dann muss man lernen was zu sagen. Aber man ist auch nicht auf einmal der Täter, nur weil man nichts gesagt hat. Gewisse Grenzen sind gemeinhin bekannt. (Zum Beispiel, dass man andern keine Schmerzen verursacht und auch das Risiko nicht eingeht, ihnen Schmerzen zu verursachen – so bei realen Fesselungen und so was. Und dass man Menschen nicht demuetigt.) Nur weil das Opfer sich so ueberfahren fuehlt, dass es nicht direkt um Hilfe schreit, wird Unrecht noch lange nicht Recht. Und das sollten auch Opfer wissen. Die fuehlen sich naemlich nachher gerne auch noch schuldig dafuer, dass sie in ihrer Naivitaet oder ihrer Ueberraschung zugelassen haben, dass sowas passiert.

Und dann kommen wir zuletzt zum Thema Straftaten. Wie gut befreundet muss ich denn mit jemandem sein, damit ich dulde, dass der jemand anderen verletzt? Dass er ihm oder ihr die Freiheit nimmt, weh tut und sich an seinem Machtgefuehl aufgeilt? Tja. Das gibt es natuerlich nicht. Also darueber spricht doch keiner. Ich persoenlich wuerde ja auch kein Schild an die Tuer haengen, wenn mir sowas passiert waere. Leider passiert es. Habe ich auch nicht geglaubt.

Mir wuerde kein Mensch einfallen, dem ich das zutrauen wuerde, oder?

Aber wenn das dann mal passiert, dann darf man nicht schweigen. Wer von uns wuerde einem anderen sowas antun? Niemand. Ein einzelner. Und der verschwindet, weil die meisten nicht dabei waren, und wir schweigen. Vielleicht war ja auch alles ganz anders. –

Das geht aber nicht. Das Opfer wird naemlich weglaufen und denken es muss jetzt auch schweigen. Tun naemlich alle. Und vielleicht hat der Taeter auch seinen Verstand wieder gefunden und gesagt, er wollte das nicht.

Und wir schweigen. Als waere nichts passiert. Weil nicht ist, was nicht sein darf. Es ist ja nur ein Einzelfall. Muss man kein Phaenomen draus machen. Das Opfer wird nicht mehr spielen, vielleicht. Ist auch besser, kann ihm das nicht nochmal passieren. Das ist der Sinn, dass die, denen wehgetan wird, auch noch das Feld raeumen muessen. Und wir schweigen. Was will ich von uns?

Ich bin selbst kein Held. Ich lasse mich auch leicht provozieren. Ich muss ein bißchen mehr auf mich aufpassen, dass ich andere nicht nur durch meine Brille sehe. Dass ich eine boese Bemerkung schlucke. Und dass ich da bin, wenn jemand anderem wehgetan wird. Und dass ich da nicht schweige.

Und dass ich andere bitte, auch da zu sein und nicht den Mund zu halten.

Das waere jedenfalls meine Idee.

Corinna

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